Nikolausspruch.
(veröffentlicht in „Das Christkindl im Walde“)
Wenn lange Schatten wie Gespenster
diese Ortschaft schwarz bemalen,
wenn durch eisbeblümte Fenster
warme Kerzen nachtwärts strahlen,
wenn die Stille wie ein Schleier
heimelig auf Erden lastet,
wenn im Tann wie im Gemäuer
alles döst, was sonsten hastet,
dann macht sich der Winter breit.
Was unsre wirkliche Gestalt ist,
zeigt die graue Jahreszeit,
denn Wärme spürt man, wenn es kalt ist.
In der Wiege kalten Schnees,
hoch oben in der Wolkenklüften
bat das Christkind mich indes
zu prüfen, was wir immer prüften:
Ob die Kinder hier auf Erden
artig oder boshaft seien,
würdig, reich beschenkt zu werden,
oder nach der Rute schreien.
„Steige,“ sprach das Heilge Kind,
„hinab zur Erde in den Tann,
dort, wo die rauhen Perchten sind,
und gehe zu den Kindern dann.“
Und ich stieg hinab vom Himmel,
und auf eine Waldeslichtung.
Das Spektakel, das Gebimmel
drang wie sonst aus jeder Richtung.
Finstre Schemen, grimme Schatten
huschten, hetzten immerfort,
wo Flocken braunes Moos bestatten:
Spukgestalten hier wie dort!
Ich sah sie jäh die Nüstern weiten,
„Kinder, Kinder“, schnurrten sie.
„Nur einer darf mich heut begleiten!“,
schimpfte ich – da murrten sie.
Der größte Krampus unter ihnen
trabte mit mir durch Gesträuch,
erstarrten Schlamm, durch weiße Dünen
stetig nach der Stadt: Zu euch.
Ich bin in der Türkei geboren
und ich kenne Prunk und Pracht,
Paläste, blau, mit goldnen Toren
wie in Tausendeiner Nacht.
Ich weiß, wie appetitlich südlich,
wie man köstlich östlich thront.
Ach, aber nochmal so gemütlich
scheint das Heim, das ihr bewohnt.
Rote Kerzen glühen heilig,
duftend glänzt das Tannengrün,
die Weihrauchschwaden träumen bläulich
sich zum fernen Frühling hin.
Am Tisch der Keks das Kipferl küsst,
der süße Punsch tanzt durch die Wohnung –
horcht nur, liebe Leut: Das ist
für rechtes Leben die Belohnung.
Also bleibt mir nur zu hören:
Habt ihr Kinder euch benommen?
Darf ich Naschwerk euch bescheren
oder muss der Krampus kommen?