Flucht.
(veröffentlicht in „Uranus“)
Ruhig ist der Wellenschlag fern dem Ufer,
auch mein Herzschlag hat sich zuletzt beruhigt.
Das Geschrei der Menschen verebbt indes im
schwappenden Wasser.
Todeslüstern, Schwimmzug um Schwimmzug, wölbt das
Salzgebirge sich nach dem Hades. Unten
klafft als schwarzgespiegelte Wolkenfront ein
endloser Abgrund.
Wasser. Ich zerschneide es mit den Händen.
Wasser. Keine Insel liegt vor mir, keine
noch so ferne Küste erschließt sich meinen
hungrigen Blicken.
Eine Nereïde besteigt den Äther.
Lange schwimmt sie neben mir her – und Tränen
schillern wie Libellen in ihren runden,
lidlosen Augen.
„Kehre um, denn Sonne und Kräfte schwinden!
Eh die Sterne zweifach dem Blau entwischen,
musst du bei den Menschen sein. Welche andre
Möglichkeit bleibt dir?“
Schön ist sie, und abstoßend – wie ein Jüngling.
Kräfte schonend gleite ich auf dem Rücken
und erwidre: „Etliche Möglichkeiten
gibt es im Grunde:
Könnte nicht die Sturmflut mich jäh ergreifen
und an unberührte Gestade schleudern?
Auch Delfine oder verirrtes Treibgut
könnten mich retten.
Und ist’s nicht auch vorstellbar, dass ein Gott mir
neue Kraft verliehe? Zu guter Letzt bleibt
noch die Möglichkeit, meine Seele in die
Tiefsee zu speien.
Zu Familie, Freunden, Gefährten und den
Menschen meiner Heimat zurückzukehren,
ist bei Zeus! das Einzige, was tatsächlich
aussichtslos wäre.“