Ehe.
(veröffentlicht in „Uranus“)
Wer ersann das liebliche Lied des Sterbens?
War’s mein Busen? Waren’s die Nachtigallen?
Kleïs schläft im Bettchen zu unsern Füßen –
er leider gar nicht.
Würde er doch nur diese Hand auf seiner
Seite lassen, würde er Kleïs heitschen
oder sich – wie’s Männer wohl tun – an seiner
Sklavin vergehen!
Jeden Abend, wieder und wieder, sprach ich
über meinen Zustand, erbat mir Aufschub –
und die Möglichkeit, ihn zunächst, von neuem,
kennenzulernen.
Aphrodite, Schöpferin jener Dinge,
die der Erde Farbe und Pracht verleihen,
darf ich dich um einen Gefallen bitten?
Lass ihn verstehen!
Möglich, dass ich reizende Formen habe,
möglich, dass ich Lüste empfinden kann, auch
möglich, dass ich einst meinen Leib ihm hingab –
gerne womöglich.
Nun ist’s anders. Acht Jahre fehlen meinem
wachen Leben, acht Jahre trennen mich von
meiner Tochter – wie eine große Schwester
muss ich ihr scheinen.
Immer näher rückt er heran. Die Hand auf
meinem Schenkel glaubt er mich zu erregen.
Zwecklos, sich mit sanfter Gewalt zu wehren –
auch nicht mit roher.
Aphrodite, Schöpferin jener Dinge,
die der Erde Farbe und Pracht verleihen,
darf ich dich um einen Gefallen bitten?
Lass ihn verschwinden!
Schreien möchte ich, wie die Nachtigallen,
die der stumpfe Iltis zerfleddert – schreien!
Keine Angst, es wird dir bestimmt gefallen,
haucht der Bezwinger.
Jäh zerrissen wird meine Leibesmitte.
Keine Angst, es wird dir bestimmt gefallen.
Brusthaar, Last und Männerschweiß halten mir die
Arme zusammen.
Keine Angst, es wird dir bestimmt gefallen,
Schmutz zu sein. Es wird dir bestimmt gefallen,
ein Gebüsch für deinen Gemahl zu sein, zum
Notdurft-Verrichten.
Aphrodite, Schöpferin jener Dinge,
die der Erde Farbe und Pracht verleihen,
darf ich dich um einen Gefallen bitten?
Lass ihn verrecken!