Das Georgslied.

(veröffentlicht in „Des Königs feuchte Jungfer Tod“)

 

 

Fern, in einem Salzgewässer

in dem Lande Libyen

lebte einst ein Menschenfresser

unter den Amphibien.

Dieses Biest spie Gift und Flammen,

wenn man kreuzte seine Fährte,

warf zuletzt das Reich zusammen,

bis man es mit Opfern nährte.

Seitdem, ach! bekam es täglich

Kind und Jungfern in den Magen.

Alles weinte drob unsäglich,

doch man musste es ertragen.

 

Einmal fing des Loses Rachen

gar die holde Königstochter.

Gnade flehte man beim Drachen,

aber keine andre mocht er.

Und es stürmten wackre Kerle

und auch Leute aus dem Volk los,

um die undurchbohrte Perle

zu erretten – doch erfolglos.

Bis zum Bersten prall gleich Würsten

schob das Biest sich zur Noblesse hin,

sprach die Dynastie dem Fürsten

ab und suchte die Prinzessin.

 

So vernichtete der See-Ork

fast die Monarchie. Indessen

jagte fern der fromme Georg

zwischen Pinien und Zypressen.

„Georg,“ sprach die Morgenröte,

„rette uns das Königskind.

Such den Drachen heim und töte

mit dem Schwerte ihn geschwind.“

Da erhob der Fromme tüchtig

seinen Körper von dem Ansitz,

denn er kannte, wenn auch flüchtig,

die Prinzessin und ihr Antlitz.

 

Bald darauf auf seinem Rappen

sah man ihn in eilger Hast.

Ohne Rüstung, ohne Knappen

hielt er fest sein Schwert umfasst.

„Georg,“ nachts vom Mond es hallte,

„rette uns das Königsmädel.

Such den Drachen heim und spalte

mit dem Schwerte seinen Schädel.“

Und am nächsten Morgen endlich

sah er das geschuppte Vieh,

das mit Gift und Flammen schändlich

nach dem Königsschlosse spie.

 

„Höre,“ fauchte da der Drache,

und trat Georg jäh entgegen,

„wenn auch Feuer ich entfache –

kommt es Euch nicht ganz gelegen?

Nimmt der König nicht von allen,

nur um noch ein Schloss zu bauen?

Sind nicht seine Habsuchtskrallen

schärfer noch als meine Klauen?

Ist es nicht Verderb und Schande,

was er ausspeit gleich dem Feuer?

Ist das Könighaus im Lande

nicht das wahre Ungeheuer?“

 

„Deine Rede,“ sprach der Ritter,

„ist die Rede aller Echsen.

Rebensaft schmeckt manchmal bitter –

auch ein König kann nicht hexen.

Ihr jedoch, ihr flachen Geister,

gebt euch stets als Partisanen,

aber ,Neid und Missgunst’ heißt der

Leitspruch eurer Tugendfahnen.

Ist der König noch so redlich,

jeder meint, er kann es besser.

Doch des Volkes Wunsch ist schädlich –

dieser ist der Menschenfresser.“

 

Mit dem Schwerte sprang vom Pferd er,

um dem Biest das Fell zu gerben.

Es schlug hart ihn – er schlug härter:

„Sei bereit, gleich sollst du sterben!“

Blut aus dem Lacertenleibe

spritzte heiß ihm ins Gesicht,

im Verlangen nach dem Weibe

aber klagte jener nicht.

Mit der Kraft von vierzig Mannen

stieß sein Schwert er bis zum Hefte

in das Neidherz des Tyrannen –

und es schwanden dessen Kräfte.

 

Und es kamen Kind und König

und die invaliden Krieger,

auch das Volk, verschämt ein wenig –

alles kreiste um den Sieger.

„Nimm das Mädchen hier zur Gattin,“

sprach der König mit Applaus,

„geh zum Thron an meiner statt hin!“

Doch der Recke schlug es aus.

Tief und fester als die Erle

saß sein Ethos und Verzichten.

Er durchbohrte noch die Perle

und ritt fort zu neuen Pflichten.