Das Eiszeitmädchen.
(veröffentlicht in „Der Schlossweg.“)
Ich sah, es war vor Tag und Jahr,
ein Jägermädchen ziehen.
Sie wollte vor dem Winter fliehen,
der jäh gekommen war.
Die weiße Pest mit totem Hauch
erreichte schon das Tal.
Die Klippen stöhnten voller Qual,
die Bäume stöhnten auch.
Die Mammutherde zog vorüber,
durch die verschneite Klamm.
Ein Auerochs lag tot im Schlamm,
Schakale krochen drüber.
Verödet lag die Welt hienieden,
doch sie marschierte schnell
und schmiegte sich ins Bärenfell
und war darum zufrieden.
Da saß ein Kind an einer Föhre.
Das hätte sie gebeten,
ein Stück des Felles abzutreten,
bevor es noch erfröre.
Hab Mitleid, Mitleid mit mir armen,
ich leide größte Not!
Der frühe Winter ist mein Tod,
hab Mitleid und Erbarmen!
Ein Federkleidchen wärmt den Zeisig,
ein Fell das Murmeltier,
ich aber sitze barfuß hier,
ganz ohne Glut und Reisig!
Ich riet der Jägerin zu gehen,
doch war sie nicht so kühl
und konnte ihrem Mitgefühl
nicht länger wiederstehen.
Hab Mitleid, Mitleid mit mir armen,
ich leide größte Not!
Der frühe Winter ist mein Tod,
hab Mitleid und Erbarmen!
Ein Federkleidchen wärmt den Zeisig,
ein Zottelfell das Ren,
nur ich muss ohne Kleider gehn
und mir ist doch so eisig!
Vom Berge rollten raue Winde,
doch sie hielt dennoch an,
zerschnitt das Bärenfell sodann
und teilte mit dem Kinde.
So dankbar, wie das Kind da war,
so rasch die Kälte gleitet
und wo sie auf der Haut sich breitet,
wird alles steif und starr.
Nachts rammte beide so der Wind,
wie sie ihn nie gefühlt.
Sie waren bald so unterkühlt,
wie es die Gletscher sind.
Die weiße Pest mit totem Hauch
erfüllte schon das Tal.
Die Klippen ächzten voller Qual,
die Bäume ächzten auch.
Doch plötzlich stieß das Morgenrot
den Frost zum Berg zurück.
Und jedes Tier war voller Glück,
doch Kind und Jäg’rin: Tot.